Das Projekt ‚Zukunft Feuerwehr‘ dient offebar nicht (nur) der Reform von Strukturen und Hebung von Einsparungspotenzialen, sondern es wird auch ganz bewusst damit kalkuliert, dass man zur Versorgung von in Not geratenen Menschen statistisch mehr Zeit hätte.
Feuerwehren: Vier Minuten bleiben für die Fahrt zum Einsatz
Trotz gut ausgerüsteter Feuerwehren gibt es immer noch weiße Flecken im Sicherheitsnetz.
Feuerwehrlandesrat Max Hiegelsberger (VP) und Landes-Feuerwehrkommandant Wolfgang Kronsteiner stellen dieser Tage in allen oberösterreichischen Bezirken das Projekt „Zukunft Feuerwehr“ vor.
Bürgermeister und Feuerwehrkommandanten werden darüber informiert, wie in Zukunft das Feuerwehrwesen aussehen soll. Obwohl seitens des Landes ein enormer Spardruck auf den Feuerwehren lastet, wird bei genauerer Betrachtung schnell klar, dass ein Weniger an Standorten, Mitgliedern und Ausrüstung enorme Einbußen bei der Qualität mit sich bringen würde. Legt man die europaweit anerkannten Hilfsfristen zugrunde, offenbaren sich im bestehenden System weiße Flecken. Dieses Hilfsfrist-Diagramm fußt auf einem kritischen Wohnungsbrand. Demnach muss nach 17 Minuten mit den Wiederbelebungsmaßnahmen begonnen werden. Überhaupt sollte ein Atemschutztrupp nach dieser Zeit einen Brandraum wieder verlassen haben, weil es erfahrungsgemäß nach 18 Minuten verstärkt zur Durchzündung kommen kann – das Schreckgespenst Flashover klopft an die Tür. Zieht man die Zeit ab, die vom Brandausbruch bis zur Entdeckung und Alarmierung benötigt werden, bleiben den Feuerwehren lediglich vier Minuten zur Anfahrt.
Erschreckend ist, was vom Zukunftsprojekt „Feuerwehr 2030“ übrig geblieben ist. Experten-Arbeitskreise beschäftigten sich in den vergangenen Jahren mit allen Bereichen der Feuerwehr. Für die Verantwortlichen am Land scheint es lediglich um Fahrzeuge und Feuerwehrhäuser zu gehen. Die Komponente „Personal“ scheint auf wenig Interesse zu stoßen.
Aufgeschobene Projekte
In einer oberflächlichen Powerpoint-Präsentation versucht Landesrat Hiegelsberger den Bürgermeistern und Feuerwehrkommandanten klar zu machen, dass viel in die Ausstattung der Freiwilligen Feuerwehren investiert wird. Listen mit laufenden Zeughaus-Bauten und Fahrzeug-Finanzierungen sollen den Eindruck erwecken, dass viel Geld in die Infrastruktur fließt. Der Kenner weiß, dass hier auch Fahrzeuge enthalten sind, die zum größten Teil von den Feuerwehren selbst finanziert wurden. Die Realität sieht nämlich anders aus. In beinahe jeder Gemeinde stehen Uralt-Löschfahrzeuge, die nur noch laufen, weil sich umsichtige Kameraden derer angenommen haben. Auch der Neubau vieler Feuerwehrhäuser kann nur deshalb aufgeschoben werden, weil mit viel Eigenleistung die Zugstätten so recht und schlecht wieder adaptiert werden.
Eigenmittel gefordert
Hiegelsberger lobte vor allem jene Feuerwehren mit viel „freiwilliger“ Eigenleistung – sei es durch Geld oder Arbeitskraft. Dass jene Eigenleistung gar nicht so freiwillig geschieht, zeigen jene Komandanten, die gerade ein FF-Haus-Projekt abwickeln: „Wir wurden gar nicht lange gefragt, ob wir überhaupt so einen großen Teil an Eigenmitteln aufbringen können. Die Zahl wurde uns einfach vorgelegt“, sagte ein Kommandant aus dem Bezirk Rohrbach. In der Fragebeantwortung wurde auf ihn nur oberflächlich eingegangen.
Kleiner Budgetposten
Das Projekt „Zukunft Feuerwehr“ zeigt, dass die Feuerwehren des Landes ihre Hausaufgaben gemacht haben. Man hat das System durchleuchtet. Das Landesbudget wird damit sicher nicht gerettet. Jener Posten, der für Feuerwehren ausgegeben wird, macht nicht einmal ein halbes Prozent (!) des gesamten Landesbudgets aus. Deshalb wäre es wünschenswert, wenn derartige Zukunftsprozesse auch in anderen Bereichen des Landes gestartet würden.
Zuversicht machte Hiegelsberger, als er gleich zu Beginn der Info-Veranstaltung versprach: „Wir werden weder Bezirke noch Gemeinden zusammenlegen. Also wird es auch keine Zwangszusammenlegungen von Feuerwehren geben“. Unausgesprochener Nachsatz: Freiwilligen Zusammenschlüssen steht man jedoch aufgeschlossen gegenüber.
17 Minuten Zeit
Als standardisiertes Schadensereignis nimmt man einen „kritischen Wohnungsbrand“ an. Man geht davon aus, dass Personen zu retten sind. Experten gehen davon aus, dass vom Brandausbruch bis zu einer möglichen Rauchvergiftung nur 17 Minuten Zeit bleiben. 18 Minuten nach Brandausbruch muss mit einem Flashover gerechnet werden.
Die Erträglichkeitsgrenze für eine Person im Brandrauch liegt laut anerkannten Studien bei 13 Minuten.Bei einem Verkehrsunfall mit eingeklemmter Person heißt es, dass der Patient innerhalb einer Stunde in einem Krankenhaus versorgt werden muss. Man rechnet damit, dass es 20 Minuten dauert, bis alle Einsatzkräfte vor Ort sind, 20 Minuten für den Transport, bleiben 20 Minuten zum Arbeiten für die Feuerwehr, die den Verletzten aus dem Fahrzeug retten muss.
Hilfsfristen
Die Hilfsfrist ist das wichtigste Planungs- und Qualitätsmerkmal für die Einsätze von Feuerwehr und Rettungsdienst. Danach richtet sich die Dichte des Netzes an Rettungsdienststellen und Feuerwehrstandorten. Auch eine nötige Mannschaftsstärke beziehungsweise die Mindestausrüstung für die Rettungs- und Feuerwehrdienste ergibt sich aus diesen europaweit anerkannten Fristen.
Gesprächs- und Dispositionszeit: Nach Eingang des Notrufes in einer Leitstelle nimmt der Disponent den Schadensfall auf und entscheidet laut Alarmplan, welche Einsatzkräfte er alarmiert.
Ausrückzeit: Die Ausrückzeit beginnt mit der Alarmierung der Einsatzkräfte. Sie enthält die Anfahrt der Helfer zum FF-Haus sowie das Anlegen der persönlichen Schutzkleidung bei Brandeinsätzen. Mit der Abfahrt des besetzten Fahrzeuges endet die Ausrückzeit.
Anfahrtszeit: Die Fahrzeit vom Fahrzeugstandort zum Einsatzort. Der planerische Sollwert für freiwillige Feuerwehren liegt bei vier Minuten.
Quelle: Oberösterreichische Nachrichten